Wer Liebe schenkt...


Beautiful ist kein schöner Kater.
Er hat kurze Beine, auf denen er sich recht plump bewegt und vielleicht fand er deswegen niemals ein Zuhause. Wie auch immer - Beautiful war dennoch etwas Besonderes: Jeden Abend trottete er zu einem Restaurant in einem New Yorker Vorort. Dort saß er dann Stunde um Stunde an der Tür und empfing die Gäste, stolz und würdevoll wie die Statue der Sphinx. Er war der glücklichste Kater der Welt in diesen Momenten, denn auf einmal schien es, als sähen die Menschen direkt in sein Herz - sie wandten sich nicht mehr ab, sondern bückten sich nieder, streichelten ihn und sie kamen immer wieder, nur, um Beautiful zu sehen. Eines Tages aber verkauften die Besitzer ihr Restaurant. Auf einmal hatte der kleine Kater seine Aufgabe verloren. Es gab keine Gäste mehr, die er hätte empfangen können. Niemanden, der wusste, wie außergewöhnlich er war und wie groß das Glück in seinem Herzen. Die Menschen wandten sich wieder von ihm ab, denn er war ja wirklich nicht schön. Er wurde geschubst und gescheucht und irgendwann begann er, sich vor Kummer das Fell auszureißen. Er saß an der Ecke vor dem alten Restaurant, und er war der einsamste Kater der Welt.


"Als ich ihn dort zum ersten Mal sah", sagt Sue Morris, "wurde er nicht mehr gebraucht und in seinen Augen, in diesen unendlich traurigen Augen, erkannte ich mich selbst wieder." Die alte Dame macht es sich zur Gewohnheit, Beautiful jeden Tag an seiner Straßenecke zu besuchen. Und so, ganz langsam, keimt eine Hoffnung in ihm auf - die Hoffnung auf eine neue Aufgabe. Es vergehen mehr als drei Monate, doch eines Tages wagt Beautiful den Schritt:

Er folgt seiner neuen Freundin und seit dem holt er sie ab, jeden Morgen zum Spaziergang. Immer nur eine Stunde lang, denn inzwischen hat der Kater wieder viel zu tun: Er besucht mittags ein Altersheim und gegen Abend drei ältere Witwer. Menschen, die sehr lange schon glaubten, es gäbe niemanden, der ihre Liebe noch braucht. Und die hinschauten, einen kurzen Moment nur, um einen Kater zu sehen, der in der Tat nicht schön ist. Dem niemand ein Zuhause geben wollte - und in dessen Macht es doch liegt, so viel Einsamkeit zu
lindern.